Im Spannungsfeld zwischen Fachkräftemangel und Kurzarbeit
Stephanie Krömer, Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Frankfurt,
über die Herausforderungen auf dem Arbeitsmarkt Rhein-Main

Frau Krömer, bei Ihrem Amtsantritt als Chefin der Agentur für
Arbeit Frankfurt im September des vergangenen Jahres hatten
Sie wohl an ganz andere Herausforderungen als die Bewältigung
der Coronakrise gedacht.
Das ist richtig. Innerhalb kürzester Zeit haben sich die Ereignisse überschlagen. Die aktuellen Entwicklungen durch das COVID-19 Virus haben unser
Leben in Frankfurt auf den Kopf gestellt und von jetzt auf gleich zu beispiellosen Veränderungen geführt, mit denen wir in dieser Form nie gerechnet
hätten. Zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger sowie unserer Beschäftigten haben wir sofort darauf reagiert und zunächst das Main-BiZ und kurz
darauf die gesamte Agentur für Arbeit für den Publikumsverkehr schließen
müssen. Das war für uns kein einfacher, aber ein notwendiger Schritt. Dennoch herrscht alles andere als Stillstand. Die aktuelle Situation erfordert,
dass wir unsere Kräfte bündeln und uns auf die Kernaufgaben konzentrieren, die die Existenz der Menschen sichern: Das sind die Auszahlungen von
Leistungen für den Lebensunterhalt und das Kurzarbeitergeld. Hier haben
wir unsere Kapazitäten innerhalb kürzester Zeit auf das Zehnfache verstärkt.
Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Arbeitsagentur und des Jobcenters leisten hier Großartiges.
„Wir tun alles dafür, die Betriebe in dieser
Krise zu unterstützen und die wirtschaftlichen
Folgen für sie abzumildern.“
Jetzt steht das Thema „Kurzarbeit“ auf der Agenda ganz oben.
Wann ist Kurzarbeit das richtige Instrument?
Schon in der Finanz- und Wirtschaftskrise der Jahre 2008/2009 hat sich
das Instrument Kurzarbeit bewährt, um Unternehmen vor der Insolvenz zu
schützen und Arbeitsplätze zu sichern. Das Kurzarbeitergeld hilft Betrieben,
die – bedingt durch einen vorübergehenden Arbeitsausfall – in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten sind. Das kann saisonal bedingt sein, z. B. in
einigen Außenberufen während der Wintermonate, oder durch sogenannte
unabwendbare Ereignisse herbeigeführt werden. Dazu zählt die aktuelle
Corona-Pandemie. In der Vergangenheit waren in einigen Regionen auch
Naturkatastrophen wie Hochwasser der Grund. Aktuell sehen wir uns nicht
mit einer regional eingegrenzten, sondern mit einer weltweiten Ausnahmesituation in noch nicht gekanntem Ausmaß konfrontiert. Der Beratungsbedarf der Unternehmen ist enorm. Wir stehen ihnen mit Rat und Tat zur Seite
und tun alles dafür, sie in dieser Krise zu unterstützen und die wirtschaftlichen Folgen für die Betriebe abzumildern.
Mit Hilfe des Kurzarbeitergeldes werden Unternehmen bei den Beschäftigungskosten entlastet, so dass sie ihr Personal auch bei erheblichen Arbeitsausfällen weiter beschäftigen können. Kurzarbeit schützt Betriebe zunächst
vor einer Insolvenz und Beschäftigte vor drohender Arbeitslosigkeit. Kurz:
Sie sichert Existenzen. Die Betriebe gewinnen Zeit zur Überbrückung einer
schlechten Auftragslage bzw. wirtschaftlichen Krisensituationen und bekommen so die Chance, sich wieder zu erholen. Kündigungen können damit
vermieden werden und Jobs bleiben erhalten. Eingearbeitetes, qualifiziertes
Personal kann gehalten werden. Zudem wurde der Bezug von Kurzarbeitergeld so vereinfacht, dass die betroffenen Unternehmen die Unterstützung
schneller und einfacher beantragen können. Die Beschäftigten haben jetzt
außerdem die Möglichkeit, im Rahmen des bisher bezogenen Gehaltes etwas hinzuzuverdienen, ohne dass dies auf das Kurzarbeitergeld angerechnet
wird. Durch die aktuellen Vereinfachungen können wir auch die Sozialabgaben für die Beschäftigten übernehmen.
Wie muss ein Arbeitgeber bei der Beantragung von Kurzarbeit
konkret vorgehen?
Das Verfahren besteht im Wesentlichen aus drei Schritten: Der erste Schritt
ist die Beratung, die aktuell ja nur telefonisch möglich ist. Da erstmals viele
Kleinst- und mittelständische Unternehmen aus Branchen betroffen sind, die
oft noch keine Berührungspunkte mit Kurzarbeitergeld hatten, ist dies zurzeit eine der wichtigsten und auch zeitintensivsten Dienstleistungen für den
Arbeitgeberservice. Im zweiten Schritt muss die bevorstehende Kurzarbeit
der zuständigen Agentur für Arbeit gemeldet werden. Das erfolgt in Form
einer Anzeige per Post oder online. Hier gibt der Arbeitgeber an, wie viele Personen in welchem Rahmen voraussichtlich kurzarbeiten werden. Erst
Im Spannungsfeld zwischen
Fachkräftemangel und Kurzarbeit
Stephanie Krömer, Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Frankfurt,
über die Herausforderungen auf dem Arbeitsmarkt Rhein-Main
INTERVIEW
Stephanie Krömer (38), Chefin der Agentur für Arbeit Frankfurt
„Wir tun alles dafür, die Betriebe in dieser
Krise zu unterstützen und die wirtschaftlichen
Folgen für sie abzumildern.“
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INTERVIEW
nachdem Kurzarbeit tatsächlich umgesetzt worden ist, folgt in einem dritten
Schritt der Antrag durch das Unternehmen. Hier gibt es nach Monatsabschluss
an, wie viele Personen in welcher Größenordnung tatsächlich weniger Arbeitsstunden geleistet haben. Dazu hat es bis zu drei Monate Zeit. Das Unternehmen tritt also in Vorleistung, bekommt den Arbeitslohn rückwirkend erstattet
und wird so finanziell entlastet, auch bei den Sozialabgaben. Alle relevanten
Informationen und die Antragsformulare finden Arbeitgeber auch unter www.
arbeitsagentur.de. Auf Sonderseiten sind hier Antworten auf grundlegende
Fragen zusammengestellt und Erklärvideos eingestellt, die mit konkreten Anleitungen beim Ausfüllen der notwendigen Formulare helfen.
Blicken wir über die aktuelle Situation hinaus: Der Strukturwandel in Wirtschaft und Arbeitswelt ist und bleibt eine zentrale Herausforderung. Das Qualifizierungschancengesetz hat zu deren
Bewältigung eine der Voraussetzungen geschaffen. Welche Möglichkeiten haben die Betriebe?
Die voranschreitende Digitalisierung, der Strukturwandel, E-Mobilität und
ein geändertes Konsumverhalten sind Aspekte, die sich schon heute auf dem
Arbeitsmarkt bemerkbar machen. Dies wird sich auch in Frankfurt immer
weiter auf die einzelnen Berufsbilder und Tätigkeitsfelder auswirken und
diese nachhaltig verändern. Damit Unternehmen konkurrenzfähig bleiben
können, müssen sie sich dieser Entwicklung anpassen. Dazu gehört auch,
die Beschäftigten mit auf den Weg zu nehmen und entsprechend zu qualifizieren. Mit dem Qualifizierungschancengesetz kann die Agentur für Arbeit jetzt auch die Weiterbildung Beschäftigter finanziell unterstützen. Je
nach Voraussetzung und Betriebsgröße können wir sogar bis zu 100 Prozent
der Lehrgangskosten übernehmen. Darüber hinaus erhalten Arbeitgeber
Arbeitsentgeltzuschüsse für weiterbildungsbedingte Ausfallzeiten von Beschäftigten. Ich kann den Unternehmen im Rhein-Main-Gebiet nur ans Herz
legen, ihre Beschäftigten bei der Qualifizierung zu unterstützen. So sichern
Sie Ihre Fachkräfte! Unser Arbeitgeberservice ist hier ein vertrauensvoller
Ansprechpartner, auch bei der Klärung möglicher Unterstützungsleistungen.
„Die fortschreitende Digitalisierung und der
demografische Wandel machen Flexibilität
und lebenslanges Lernen zu einer wichtigen
Voraussetzung.“
Ist jetzt der richtige Zeitpunkt für Qualifizierungsmaßnahmen?
In diesen Wochen geht es in vielen Branchen erst einmal um das wirtschaftliche Überleben. Zudem sind Qualifizierungsmaßnahmen in Gruppen aufgrund
der Ausgangsbeschränkungen derzeit nicht möglich. Alternativ werden zahlreiche Onlineangebote bereitgestellt. Aber: Qualifizierung ist und bleibt die
wichtigste Stütze, damit Unternehmen und Beschäftigte mit den Veränderungen am Arbeitsmarkt Schritt halten und den Anforderungen in der Zukunft begegnen können. Ich kann nur eindringlich davor warnen, dies aus den Augen
zu verlieren, auch wenn aktuell andere existentielle Themen im Mittelpunkt
stehen. Die fortschreitende Digitalisierung und der demografische Wandel machen Flexibilität und lebenslanges Lernen zu einer wichtigen Voraussetzung. Je
umfangreicher und zeitgemäßer die Qualifizierung, desto größer ist der Schutz
vor Arbeitslosigkeit und die Wahrscheinlichkeit, sich erfolgreich am Markt zu
behaupten. Für Unternehmen sind gut ausgebildete Fachkräfte lebenswichtig.
Sie bilden die Grundlage dafür, dass Unternehmen wettbewerbsfähig bleiben
können und nicht den Anschluss verlieren.
„Fachkräftebedarf“ ist die freundliche Umschreibung des Problems
„Fachkräftemangel“. In welche Richtung zielt die Entwicklung?
Noch vor wenigen Wochen gab es eine anhaltend hohe Nachfrage, besonders nach qualifizierten und gut ausgebildeten Arbeitskräften. Das spiegelten auch die Arbeitsmarktzahlen, die vor der aktuellen Krise und den
damit verbundenen wirtschaftlichen Einschränkungen erhoben wurden.
Gleichzeitig ist die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in Frankfurt
kontinuierlich angestiegen. Die Einwohnerzahl liegt mittlerweile bei nahezu 800.000, die zahlreichen Berufspendler kommen noch hinzu. Das alles
spricht für insgesamt gute Voraussetzungen. Die Herausforderung für alle
beteiligten Arbeitsmarktakteure besteht darin, alle Menschen mitzunehmen, die zur Fachkräftesicherung beitragen können. Und dabei spreche ich
nicht nur von denen, die optimale Voraussetzungen mitbringen. Es geht vielmehr darum, alle Personengruppen anzusprechen und einzubeziehen. Ich
gehe nicht davon aus, dass sich daran etwas ändern wird, wenn wir die Krise
überstanden haben.
Welchen Beitrag zur Fachkräftesicherung können Sie leisten?
Wir als Agentur für Arbeit engagieren uns gemeinsam mit Politik, Wirtschaft
und Bildung bereits seit Jahren dafür, vorausschauend für die Zukunft zu planen und uns für anstehende Herausforderungen auf dem Arbeitsmarkt aufzustellen. Uns bewegen besonders Themen wie der demografische Wandel
und die fortschreitende Digitalisierung der Arbeitswelt. Wir verfolgen nicht
nur einen Weg, sondern setzten auf alle verfügbaren Ressourcen: Neben
der Einwanderung von Fachkräften möchten wir unsere Potenziale im Inland
ausschöpfen. Dazu zählen besonders Frauen, die dem Arbeitsmarkt aus familienbedingten Gründen nicht zur Verfügung stehen konnten, ältere und
schwerbehinderte Menschen und selbstverständlich die jungen Menschen,
die ihren Einstieg in das Berufsleben noch vor sich haben.
Hat die Migrationswelle der vergangenen Jahre zur Fachkräftesicherung beigetragen?
Definitiv. Frankfurt ist eine multikulturelle und weltoffene Stadt, die sich
durch ihre kulturelle Vielfalt auszeichnet. Das hinterlässt auch seine Spuren
auf dem Arbeitsmarkt. Etwa jeder Dritte hat einen Migrationshintergrund,
teils in zweiter und dritter Generation, teils sind es aber auch neu Zugewanderte. Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung und einer
zunehmend älter werdenden Gesellschaft ist dies ein wichtiger Faktor. Es
gilt, alle Potenziale zu aktivieren. Dazu zählen alle schon genannten Personengruppen, unabhängig von Nationalität und Herkunft.
Betrachten Sie die Arbeitsmarktintegration als einen richtigen
Weg der gesellschaftlichen Integration?
Auf jeden Fall. Einen Beruf auszuüben und berufliche Kompetenzen vorweisen zu können, ist ein grundlegender und nicht zu unterschätzender Schritt
im Rahmen der gesellschaftlichen Integration. Neben Spracherwerb, Akzeptanz und sozialen Kontakten ist die finanzielle Unabhängigkeit entscheidend
für das Gefühl, in einem zuvor fremden Land und in unserer Gesellschaft
angekommen zu sein. Bei vielen Menschen mit Fluchthintergrund wird es je
nach persönlicher Geschichte, Bildungsstand und Sprachkenntnissen viele
Jahre dauern, bis diese ganzheitliche Integration greifen kann. Da müssen
wir mit Geduld und Beharrlichkeit am Ball bleiben. Bei anderen geht es
schneller. Dafür gibt es auch in Frankfurt einige Beispiele.
Was versprechen Sie sich von dem neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetz?
Mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz bekennt sich Deutschland dazu,
ein Einwanderungsland zu sein. Ich halte das für ein wichtiges Signal. Die
Zuwanderung von Fachkräften ist bereits seit mehreren Jahren Teil der hessischen Strategie zur Fachkräftesicherung. Auf sie geht auch das WELCOMECENTER Hessen als Anlaufstation für ausländische Fachkräfte zurück,
eine Gemeinschaftsinitiative des Hessischen Ministeriums für Soziales und
Integration, der Handwerkskammer Frankfurt-Rhein-Main, der Regionaldirektion Hessen und der Arbeitsagentur. Die Attraktivität der Stadt Frankfurt als Wirtschaftsstandort auch für ausländische Fachkräfte wird so weiter
gestärkt. Die Anerkennung von Abschlüssen und die Anforderungen an das
Sprachniveau bleiben weiterhin Hürden, auch wenn das neue Gesetz Erleichterungen bringt.
„Die Erfahrung zeigt, dass auch kurz vor
Beginn eines Ausbildungsjahres noch viele
Ausbildungsstellen besetzt werden können.“
Für viele Unternehmen ist die duale Ausbildung eine Art Königsweg der Fachkräftesicherung. Wie können Sie und das Jugendjobcenter jetzt kurz vor Beginn des Ausbildungsjahres Betriebe
unterstützen, die noch nicht den passenden Bewerber oder die
richtige Bewerberin gefunden haben?
Wir sind das ganze Jahr über aktiv. Unsere Berufsberaterinnen und Berufsberater sind deutlich häufiger vor Ort in den Schulen, wir bieten Informationsveranstaltungen, beteiligen und organisieren Messeauftritte und organisieren Bewerber- und Branchentage, teils gemeinsam mit unseren Partnern,
teils direkt mit einzelnen oder mehreren Unternehmen. Hinzu kommen
umfangreiche Informations- und Orientierungsangebote, die wir online zur
Verfügung stellen. Dazu zählen auch Expertenchats rund um das Thema
Ausbildung, die Jugendlichen besonders in der aktuellen Situation eine gute
Alternative bieten, um ihre Fragen direkt mit Fachleuten zu besprechen und
sich auszutauschen. Da der Trend zum Studium ungebrochen ist, ist es für
viele Unternehmen nicht mehr so einfach wie noch vor ein paar Jahren, ihre
Ausbildungsstellen zu besetzen. Hier setzen wir besonders auf persönliche,
individuelle Beratung, unterstützen aber auch mit finanziellen Hilfen, wenn
sie bereit sind, auch Bewerberinnen und Bewerber zu berücksichtigen, die
nicht auf den ersten Blick dem Bild des Wunschkandidaten entsprechen. Die
Erfahrung zeigt, dass so auch kurz vor Beginn eines Ausbildungsjahres noch
viele Ausbildungsstellen besetzt werden können.
Gilt das auch aktuell?
An dieser Stelle möchte ich eine direkte Botschaft an alle Ausbildungsbetriebe richten: Gerade in der jetzigen Situation ist es von entscheidender
Bedeutung, dass Sie Ihre Ausbildungs- und Weiterbildungsaktivitäten nicht
herunterfahren. Das schadet Ihrem Unternehmen und der gesamten wirtschaftlichen Entwicklung. Bitte versuchen Sie, auch in Ihrem eigenen Interesse Ihr Personal und Ihre Auszubildenden zu halten! Halten sie besonders
jetzt im Sommer an ihren Einstellungsplänen für Nachwuchskräfte fest! Nur
so können wir die Krise gemeinsam meistern und die Weichen für die Zukunft stellen.
Ist das Vermittlungsgeschäft für Sie schwerer geworden?
Aufgrund der hohen Fachkräftenachfrage der Unternehmen hat es eine Verschiebung zu Gunsten der Bewerberseite gegeben. In der Folge sind Arbeitgeber eher bereit, ihre ursprünglichen Anforderungen zu überdenken und
Bewerbende, die vorher allein schon durch ihre Schulnoten oder ihren beruflichen Lebenslauf nicht überzeugt hätten, nicht von vorneherein abzulehnen.
Bei der Stellenbesetzung werden zunehmend auch soziale Kompetenzen
und andere vorhandene Potenziale berücksichtigt. Das können wir sowohl
bei der Suche nach Auszubildenden als auch nach Fachkräften beobachten.
Im Bedarfsfall können wir die Betriebe auch mit unseren Förderinstrumenten
unterstützen. Uns ist wichtig, individuell zu beraten und auf die Situation
des jeweiligen Betriebes einzugehen. Ist das Vermittlungsgeschäft dadurch
schwieriger geworden? Ich glaube nicht. Aber es hat sich verändert.
Im Moment sieht es aber so aus: Die systemrelevanten Branchen benötigen
auch in dieser Krisensituation weiteres Personal. Abgesehen davon ist die
Wirtschaft aber in weiten Teilen zum Stillstand gekommen. Im Hotel- und
Gaststättengewerbe, großen Teilen des Einzelhandels und vielen anderen
Dienstleistungsbereichen sind Neueinstellungen aktuell nicht möglich. Hier
kämpfen die Unternehmen um ihre Existenz und versuchen, sich mit Kurzarbeit und staatlichen Hilfen über Wasser zu halten.
Ihre sprichwörtlichen ersten einhundert Tage als Vorsitzende der
Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Frankfurt sind inzwischen längst vorüber. Wie bewerten Sie Ihre bisherigen Erfahrungen in der Metropolregion Frankfurt-Rhein-Main?
Ich habe die Stadt Frankfurt von Anfang an als pulsierende Metropole erlebt,
die als Wirtschaftsstandort zuletzt Rekordzahlen erreicht hat. Bei steigenden
Beschäftigungszahlen gab es bei meinem Einstieg im Herbst letzten Jahres
knapp unter 20.000 arbeitslos gemeldete Menschen. Das war die niedrigste
Arbeitslosenquote seit 21 Jahren. Kurzum, die besten Voraussetzungen, die
man sich vorstellen kann. Dominierende Themen sind und waren aber auch
der weiterhin hohe Fachkräftebedarf in der Region und die Herausforderung, Langzeitarbeitslosigkeit abzubauen. Hier arbeiten die Träger des Jobcenters, die Stadt Frankfurt und die Arbeitsagentur, eng mit dem Jobcenter
zusammen. Dieses Zusammenspiel ist für mich ein entscheidender Vorteil,
der allen Bürgerinnen und Bürgern in der Grundsicherung zugutekommt.
„Deshalb bin ich zuversichtlich, dass wir
gemeinsam die aktuelle Krise meistern, und
sehe optimistisch in die Zukunft.“
Das erinnert an das Motto des Jobcenters „Gemeinsam für Frankfurt vorangehen“.
Von Anfang an habe ich besonders die kulturelle Vielfalt und die enge Vernetzung der Arbeitsmarktakteure im Rhein-Main-Gebiet als sehr inspirierend empfunden. Deshalb bin ich zuversichtlich, dass wir gemeinsam die
aktuelle Krise meistern, und sehe optimistisch in die Zukunft. Und auch das
Zusammenspiel aller Teams innerhalb der Arbeitsagentur habe ich von Beginn an als sehr konstruktiv empfunden. Dieser Eindruck hat sich für mich
besonders in der aktuellen Lage bestätigt. Wir haben uns von jetzt auf
gleich in einer Situation wiedergefunden, die allen viel abverlangt. Aufgrund
der sich ankündigenden Kontakteinschränkung haben wir uns auf Alternativen wie Telefonberatung, E-Services, erweiterte Servicezeiten und intensiven E-Mail-Kontakt umgestellt. Das Engagement und die Bereitschaft der
Mitarbeitenden, sich gegenseitig zu unterstützen und in aktuell besonders
geforderten Bereichen auszuhelfen, ist sehr groß. Dieses Zusammenrücken
in Zeiten einer notwendigen physischen Distanz ist in meinen Augen etwas
ganz Besonderes. Ich bin mir sicher, dass wir dadurch für die Zukunft viel
Gutes mitnehmen werden.
Wo möchten Sie selbst Wegzeichen und Akzente in Frankfurt setzen? Wo liegen Ihre Ziele?
Das Zauberwort heißt für mich „Zusammenhalt“. Und das gilt für mich für
die Zusammenarbeit innerhalb meiner Agentur und des Jobcenters Frankfurt
genauso wie für die Arbeit mit allen Bündnispartnern und Akteuren in der
Öffentlichkeit. Eine offene, ehrliche und transparente Kommunikation auf
Augenhöhe ist das wertvollste Instrument. Wir alle sind uns unserer Verantwortung füreinander und für die Gesellschaft bewusst. Aus dieser Motivation heraus müssen wir gemeinsam handeln – ohne Angst vor neuen
Wegen und innovativen Lösungen. Unser gemeinsames Ziel ist es, Bildung
zu fördern, Chancen zu eröffnen, Arbeitslosigkeit zu verhindern und den
Wirtschaftsstandort Frankfurt weiter zu stärken. Kurz: Wir möchten nahe an
den Menschen sein. Die Bürgerinnen und Bürger in Frankfurt sollen uns als
verlässliche, kompetente und vertrauenswürdige Ansprechpartner in Orientierungsphasen und während der Beschäftigung wahrnehmen.